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Exkursion Oberengadin 2005

Text: Helga Kohler, Fotos: Joe Meier, Gundolf Meyer und Helga Kohler

Begrüssung, Foto: Joe Meier


Es war nicht der übliche Engadiner Himmel, der die rund 40 anreisenden AGEO-Mitglieder am Samstag, den 9. Juli 2005 in Celerina begrüsste. Schon Tage zuvor hingen jeweils am Morgen dichte Nebelbänke über den Bergen; sie lösten sich gegen Mittag teilweise auf, um dann am Abend von Regenwolken abgelöst zu werden. Dabei sank die Schneefallgrenze auf 2400 m.
Unser Exkursionsprogramm sollte sich aber in den unteren Regionen des wunderschönen Engadiner Hochtales abspielen, das heisst zwischen 1800 und 2000 m. Allerdings hatte die lange Trockenheit dafür gesorgt, dass die meisten Pflanzen auf dieser Höhenstufe schon verblüht waren oder gar nicht erst zum Erblühen kamen.
Für unsere Wanderleiter, Stephan Epple und Paolo Trevisan, war dieser Umstand ein einfach zu lösendes Problem: Man dislozierte die "Gwundrigen" kurzerhand nach Bernina Suot auf 2046 m, um von hier aus ins Val dal Fain (Heutal) zu starten.

Val dal Fain, Foto Gundolf Meyer
Da viele Teilnehmer mit dem Auto angereist waren, konnte eine Gruppe bereits ein wenig die Umgebung beschnuppern, bevor die anderen mit der Rhätischen Bahn den Ausgangspunkt erreichten.
Auf der Feuchtwiese neben dem Hotel schwirrten Hunderte von Schmetterlingen um die wenigen Blütenpflanzen, um ein wenig Nektar zu erhaschen. Es waren vor allem kleine tagaktive Nachtfalter, die die rundköpfigen Blüten der Teufelskralle bevölkerten.
Doch dann wurde es bald ernst. Praktischerweise teilten unsere beiden Wanderleiter die Gruppe in zwei (nicht feindliche) Lager ein, nämlich in jene mit gesunden Knien und guter Lunge und dem Rest der Welt (zu dem auch die Schreiberin gehörte!). Wir überquerten die hier noch junge Bernina und staunten über die schluchtartige Tiefe, in die sich der Fluss in Jahrmillionen einen Weg gebahnt hat. Das Gebiet umfasst Silikatmagerweiden wie auch kalkhaltiges Sedimentgestein. Die ersten Orchideenarten, vor allem das Männertreu in vielen Farbvarianten, leuchteten uns bald entgegen. Leider hatte sich die weisse und gelbe Form vor uns kurz zurückgezogen!

Dukatenfalter, Feuerfalter: Fotos Helga Kohler
Auch hier flatterten z. B. kräftig orangefarbene Dukatenfalter und Braune Feuerfalter von Blüte zu Blüte. Dank der geduldigen Begleitung von Paolo hatte die Gruppe 2 ausgiebig Zeit, einzelne Pflanzen genauer zu betrachten und vor allem die Form- und Farbenpracht zu geniessen. Es glänzten die verschiedenen Rapunzeln ebenso im Licht des Engadins wie die Fingerwurz- oder Handwurzarten, der zarte Enzian wurde ebenso gesichtet wie der Bayrische.

Chamorchis alpina: Foto Joe Meier
Die Vorausmarschierer sahen wir an einem Kalkschotterhang mit Felsbändern kleben. Was suchten sie wohl? Bei ihrer durch einsetzenden Regen vorzeitigen Rückkehr zum Ausgangspunkt schätzten sie sich glücklich, Edelweiss und Zwergorchis gefunden zu haben.
Der Sonntag, 10. Juli 2005, liess sich wettermässig schon etwas freundlicher an. Stephan und Paolo hatten beschlossen, vom nahe gelegenen Samedan aus bis auf ca. 2000 m hinauf zu steigen und am Fusse des Piz Padella, der für seine kalkliebende Flora bekannt ist, einen Wald- und Geröllhang zu durchqueren.
Gruppe 1 stieg in Serpentinen in das Gebiet Cristolais hinauf, Gruppe 2 folgte einem bunt blühenden Wiesenweg, um dann in einer Spitzkehre ebenfalls allmählich auf 2000 m hinauf zu kommen. Wieder begleiteten uns zahlreiche Schmetterlingsarten, darunter der Grosse Perlmutterfalter, Scheckenfalter, Bläulinge, Dukaten- und Feuerfalter.
Grosser Perlmutterfalter: Foto Helga Kohler


Coeloglossum viride: Foto Gundolf Meyer
Der Berghang war voll der grossen Blüten der Wollköpfigen Kratzdistel, die erst an wenigen Stellen zu blühen begann; und - vereinzelt an der Baumgrenze - die faszinierende Flockenblumenart, die Alpen-Bergscharte, Stemmacantha rhapontica, Syn. Rhaponticum scariosum. Flora Helvetica: "40 - 150 cm hoch. Untere Blätter sehr gross, meist 25 - 50 cm lang, herzförmig unregelmässig spitz gezähnt, gestielt, unterseits weissfilzig, obere breit-lanzettlich oder fiederteilig, sitzend. Köpfe einzeln, mit 4 - 9 cm dicker Hülle. Hüllblattanhängsel braun, fast rund, eingerissen. Blüten röhrenförmig, rosa bis purpurn...."
Der Türkenbund hatte etwas unter Trockenheit, Kälte und zuletzt Regen gelitten, da konnten die gelben Blütchen der Kleinen Wiesenraute durch ihre geringe Angriffsfläche dem Wetter schon besser trotzen. Wunderschön tiefviolett glänzten auch die Hallers Rapunzeln, die hier in einer - für mich unerwarteten - Fülle anzutreffen waren, sowie die Dunkle Akelei.
An der schmalsten Stelle der Hangquerung kreuzten sich die Wege von Gruppe 1 und 2 und genau hier standen edle Blüten der Grünen Hohlzunge, deren Lippen sowohl gelblich als auch rötlich bis dunkelbraun gefärbt waren. Wer am besten zählen konnte (wie beispielsweise Joe Meier) kam auf 50 Exemplare!!

Die Schnelleren unter uns schlugen einen kleinen Umweg zum späteren Treffpunkt ein und entdeckten dabei noch den seltenen Berg-Drachenkopf. Im Tal angelangt, bot eine Feuchtwiese der Fleischfarbenen sowie die Breitblättrigen Fingerwurz guten Nährboden. Der Botaniker unter uns, Stephan Epple, erwärmte sich für eine "Blume der Weisheit" (??), das Sophienkraut (Descurainia sophia) oder -gewöhnlicher ausgedrückt- die Besenrauke, die zur Familie der Kreuzblütler gehört, bis 90 cm hoch wird, mit fiederschnittigen Blättern und hellgelben Blütchen ausgestattet ist. Im Etymologischen Wörterbuch, Helmut Genaust, ist nachzulesen, dass der Name auf den französischen Apotheker François Descuraine, 1658 - 1740, zurückgeht.
 
Fotos Joe Meier (links), Gundolf Meyer (rechts)

Schon bald und viel zu früh mussten die "Unterländer" die Heimreise antreten. Die beiden Halbtage gaben uns aber einen Einblick in den Artenreichtum des Oberengadins, wie er - neben dem Wallis - in der Schweiz kaum noch anzutreffen ist.
Ich möchte abschliessend im Namen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseren beiden AGEO-Kollegen Stephan Epple und Paolo Trevisan für die wissenschaftliche und herzliche Art der Begleitung bestens danken. Hoffentlich dürfen wir ein nächstes Mal wiederum auf ihre wertvolle Mitarbeit zählen.



Pflanzen-Fundliste Oberengadin

Acinos alpinus Alpen-Steinquendel
Aconitum vulparia Gelber Eisenhut
Aquilegia atrata Dunkle Akelei
Aster alpinus Alpenaster
Astragalus alpinus Alpen-Tragant
Caluna vulgaris Besenheide
Campanula barbata Bärtige Glockenblume
Campanula cochleariifolia Niedliche Glockenblume
Campanula scheuchzeri Scheuchzers Glockenblume
Chamorchis alpina Zwergorchis
Cirsium eriophorum Wollköpfige Kratzdistel
Coeloglossum viride Grüne Hohlzunge
Dactylorhiza cruenta Blutrote Fingerwurz
Dactylorhiza incarnata Fleischrote Fingerwurz
Dactylorhiza majalis Breitblättrige Fingerwurz
Descurainia sophia Sophienkraut
Dianthus superbus Pracht-Nelke
Dracocephalum ruyschiana Berg-Drachenkopf
Galium anisophyllon Ungleichblättriges Labkraut
Galium verum ssp verum Echtes Labkraut
Gentiana bavarica Bayrischer Enzian
Gentiana campestris Feld-Enzian
Gentiana cruciata Kreuz-Enzian
Gentiana lutea Gelber Enzian
Gentianella tenella Zarter Enzian
Geranium sylvaticum Wald-Storchschnabel
Gymnadenia conopsea Langspornige Handwurz
Gymnadenia odoratissima Wohlriechende Handwurz
Hieracium aurantiacum Orangerotes Habichtskraut
Knautia dipsacifolia Wald-Witwenblume
Leontopodium alpinum Edelweiss
Lilium martagon Türkenbund
Nigritella rhellicani Männertreu
Phyteuma betonicifolium Betonienblättrige Rapunzel
Phyteuma hemisphaericum Halbkugelige Rapunzel
Phyteuma orbiculare Rundköpfige Rapunzel
Phyteuma ovatum Hallers Rapunzel
Phyteuma scorzonerifolium Schwarzwurzelbl. Rapunzel
Polygonum bistorta Schlangen-Knöterich
Pseudorchis albida Weisszunge
Sempervivum arachnoideum     Spinnweb-Hauswurz
Sempervivum montanum Berg-Hauswurz
Senecio ovatus Fuchs' Greiskraut
Solidago virgaurea Echte Goldrute
Stemmacantha rhapontica Alpen-Bergscharte
Teucrium montanum Berg-Gamander
Thalictrum minus Kleine Wiesenraute
Traunsteinera globosa Kugelorchis
Valeriana montana Berg-Baldrian
Valeriana tripteris Dreiblatt-Baldrian

PS: Die Pflanzen-Fundliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Aktualisiert 10. 03. 2009

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