Orchideen und Pilze
Bericht von Thomas Ulrich
Auf einer AGEO-Exkursion wunderte ich mich, warum gerade an dieser Stelle die Orchideen wachsen und nicht
auf einem nahegelegenen vergleichbaren Stück Halbtrockenrasen. Da kam spontan von einem altgedienten
AGEO Mitglied der einfache Kommentar: "Da kommt der Pilz nicht vor, den die Orchideen brauchen."
Aha? Irgendwie nicht so ganz zufrieden, hab ich die Antwort zur Kenntnis genommen - etwas verwundert,
habe ich doch Pilze immer mit Feuchtigkeit in Verbindung gebracht.
So schlummerte dieser Satz in meinem Kopf und kam hie und da wieder zum Vorschein, z. B. beim Studium
des Buches "Die Orchideen Deutschlands"[1], dort findet man den Kommentar:
".... In den Samen der Orchideen befindet sich kein Endosperm, die Nährsubstanz muss in anderer
Weise bereitgestellt werden. Hierdurch unterscheidet sich die Familie der Orchideen von allen anderen
Pflanzenfamilien." [Zitat Seite 142]
Und dann der Artikel in Bild der Wissenschaft "Strippenzieher der Unterwelt".[2] Hier wird auf wenigen
Seiten über die "Unterwelt" in unseren Böden berichtet. Pilze ohne oberirdischen Fruchtkörper
(ca. 200 Pilzarten der Gattung Glomales) leben mit über 200 000 Pflanzenarten (Moose, Farne, Grässer,
krautige Blütenpflanzen, aber auch Bäumen) in einem so genannten arbuskulären Mykorrhiza System
zusammen (vor 500 Millionen Jahren entwickelt). Eine weit verbreitete Partnerschaft zum gegenseitigen Nutzen.
Die Pilzfäden dringen in die Pflanzenwurzeln ein, ohne diese zu beschädigen, um den
Nährstoffaustausch zu intensivieren.
Eine weitere Form der Lebensgemeinschaft Pilz/Pflanze ist die seltenere Form der Ektomykorrhiza. Vertreter
dieser Pilzart sind den Feinschmeckern wohl bekannt - Steinpilz, Pfifferling, Marone und Trüffel.
Die Pilzfäden umschliessen fast ausschliesslich die Wurzelspitzen der Baumarten der gemässigten
Zone. Die Pilze versorgen die Pflanzen nicht nur mit Phosphat, sondern auch mit verschiedenen
Stickstoffverbindungen, die sie aktiv aus organischem Material im Boden freisetzen.
Die Arten der Ektomykorrhiza entwickelten sich vor ca. 130 Millionen Jahren, als die Nadelbäume die Welt
eroberten und deren Streu nicht von den bis anhin vorhandenen arbuskulären Mykorrhiza verwertet werden
konnten.
Die erste wissenschaftliche Arbeit über die Wechselwirkung Pilz/Pflanze erschien bereits 1885[3],
um eine mögliche Zucht von Trüffeln zu erforschen. In den nunmehr 120 Jahren Forschung konnte
gezeigt werden, dass mehr als 80% der Landpflanzen in einer Lebensgemeinschaft mit Pilzen
stehen.
Somit ist die Lebensgemeinschaft Pilz/Pflanze keine aussergewöhnliche Eigenschaft speziell der
Orchideen (wie oben erwähnt), sondern ein weit verbreitetes Prinzip. Aber wie sieht es nun bei
den Orchideen aus?
Eine erste Internet-Recherche
Mit dem Suchbegriffen "orchid mycorrhiza" und Google wurde ich bald fündig. Etliche Seiten rund um den
Weltball beschäftigen sich mit dem (land)wirtschaftlichen Nutzen der Pilz/Pflanze-Lebensgemeinschaft
(Mykorrhiza). Eine ausgewählte Hompage auf Deutsch[4], die des Leibniz-Institutes für Pflanzenbiochemie
in Halle, hat es in sich. Dort gibt es einen allgemeinverständlichen Kurs zum Blättern und Staunen und
ist jedem zu empfehlen.
Vorteile für den Partner "Pilz"[5]: Der Pilz innerhalb der Mykorrhiza-Gemeinschaft erhält
in der Regel Zucker von den Pflanzen. In manchen Fällen schützt die Pflanze sogar vor anderen
konkurrenzierenden Pilzen.
Vorteile für den Partner "Pflanze": Pilze liefern den Pflanzen hingegen wichtige Mineralien
wie Phosphor und Stickstoff vor allem aus vermoderndem Pflanzenmaterial, in dem sie durch Enzyme z. B.
Cellulose abbauen und dadurch Nährstoffe für die Pflanzen freisetzen.
Auch Pilze schützen die Pflanzen z. B. vor Schadstoffen wie Schwermetallen, aber auch vor anderen Pilzen,
Bakterien oder Nematoden. Da die Pilze spezialisiert sind, ist ihre Vielfalt wichtig für einen ausgewogenen
Boden.
Neben der "Partnerschaft" gibt es auch den Fall, dass z. B. eine Orchidee einen anderen Organismus (Pflanze)
über den Mykorrhizapilz ausbeutet, d. h. sie entzieht einer Wirtspflanze Nährstoffe (Epiparasitismus).
Es gibt auch die saprophytisch-parasitäre Lebensweise, hier benutzt die Orchidee den Mykorrhizapilz, um ihre
Nährstoffe gänzlich aus toter organischer Materie zu beziehen (z. B. chlorophylllose Orchideen).
Orchideensamen sind extrem klein und ohne Endosperm (Nährgewebe), d. h. die Keimlinge können sich nur
zu einem wenig-zelligem Gebilde entwickeln. Für das weitere Wachstum braucht der Orchideenkeimling die
Mykorrhizapilze, um an die notwendigen Nährstoffe zu kommen. Wenn die Orchidee selbst einmal zur Photosynthese
befähigt ist, kann sie mehr und mehr unabhängig vom Pilz werden. Dieser wird für die reife Pflanze
u. U. überflüssig, jedoch nicht für ihre Nachkommen.
Manchmal gewinnt der Mykorrhizapilz die Oberhand und der Pflanzenkeimling verkümmert. Dies ist unter anderem
der Grund, dass nur eine geringe Anzahl der Orchideensamen erfolgreich keimen. Wie schützt sich die Orchidee
davor? Sie produziert in Gegenwart des Pilzes einen Antagonisten - ein Fungizid namens Orchinol.
Mykorrhizapilze bevorzugen schwach saure Böden (optimal pH 4 bis pH 5), bei pH7 und höher (d.h. basischer)
werden Mykorrhiza-pilze rar bzw. sind nur rudimentär entwickelt. Das Waldsterben könnte somit als
Folgeerscheinung der Schädigung der Mykorrhizapilze angesehen werden (Übersäuerung des
Bodens).[6]
Die Buchenwälder auf Kalkboden sind angeblich arm an Mykorrhizapilzen - was mich persönlich nun,
in Anbetracht der Orchideenvielfalt im Jura, wundert. Vielleicht sind es die wenigen Mykorrhizapilze,
die äusserst spezialisiert sind. So kann das kriechende Netzblatt nur in Gegenwart eines der beiden
Mykorrhizapilze Rhizoctonia goodyera-repentis oder R. lanuginosa keimen. Wie die ausgewachsenen Pflanzen vom
Pilz abhängen, ist hingegen bisher noch unbekannt.
Auf jeden Fall braucht dieses Thema eine weitere vertiefende Internet-Recherche, welcher Pilz mit welcher
Orchidee in welcher Lebensgemeinschaft? - Eine Fortsetzung ist sicher.
Literaturangaben
[1] | Arbeitskreise Heimischer Orchideen (Hrsg.) "Die Orchideen Deutschlands", Uhlstädt-Kirchhasel, 2005 |
[2] | Klaus Wilhelm, Bild der Wissenschaft 12 (2005) 28-33 |
[3] | B. Frank "Über die auf Wurzelsymbiose beruhende Ernährung gewisser
Bäume durch unterirdische Pilze" Berichte der deutschen botanischen Gesellschaft, Band III, 128 - 145 (1885) |
[4] | http://www.ibp-halle.de/myk/ |
[5] | http://www.treesforlife.org.uk/tfl.ecological.html |
[6] | http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/e33/ |
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Aktualisiert 02. 03. 2009