Einführung "Sardinien"
Text Jean-Pierre Brütsch, Zeichnung Katrin Spörri
"San Giovanni di Sinis"
Sardinien liegt im Tyrrhenischen Meer und ist nach Sizilien die zweitgrösste Insel im Mittelmeer.
Seine Entstehung als Insel geht ins Tertiär zurück, als die afrikanische Platte sich nach Norden
verschob (dabei den Alpenbogen auffaltete), und die Inseln Sardinien und Korsika vom Festland getrennt und
in ihre heutige Position gedreht wurden. Dabei wurde die Insel gedehnt und gezerrt, zerbrach in einzelne
"Schollen", und aus den Spalten ergossen sich Lavaströme. Die westliche Seite war davon stärker
betroffen, weil hier auch ein grosser Graben (ursprünglich die Fortsetzung des Rhonetals) entstanden war.
Diese riesigen Lava- und Tuffdecken bauten weitläufige Hochebenen auf. Der Vulkanismus betraf die
Osthälfte weniger, aber durch die Spannungen zerbrachen auch die Kalkplatten. Im Miozän (vor ca.
38 Mio. Jahren) sank das Land, wurde teilweise vom Meer über-schwemmt und bunte Mergel- und
Sandsteinschichten lagerten sich ab, die seither leicht verwittern und fruchtbare Hügelländereien
aufbauen. So kann man versteinerte Wälder und Palmenreste finden, wie in der Sahara. Später
bildeten sich als Folge kleinerer Vulkane Tafelberge aus harten Basaltdecken. In der Zeit, als das
nördliche Europa von Gletschern bedeckt war, konnten sich Flüsse ins Gelände einsägen
und Schluchten bilden. Im Gegensatz zu den Vulkanen Italiens hat sich Sardinien beruhigt, Erdbeben sind
sehr selten. Im Granit haben sich Verwitterungsformen gebildet, die "Tafoni" (Aushöhlungen) und "Tacchi"
(Felstürme) genannt werden und ausserordentliche Formen erhalten haben. Daneben gibt es die "Tonneri"
(tafelbergartige Reste der Kalktafeln), "Giara" (durch Basaltdecken geschützte Hochebene), "Stagno"
(Teich oder Lagune), "Pozzines" (kurz-rasige Flachmoore). Schon die Römer beuteten die reichen
Bodenschätze der Insel aus, und die reichen Vorkommen von Bleiglanz, Zinkblende, Pyrit, Baryt,
Mangan, Antimon und Kohle waren seit der Bronzezeit begehrte Abbauprodukte.
Sardinien ist eine autonome Region Italiens und besteht aus den 4 Provinzen Cagliari, Nuoro, Oristano
und Sassari. Nüchtern in Zahlen ausgedrückt heisst das: Fläche 24'000 km2 (etwa 183 km
lang und 84 km breit), davon 68 % Hügel, 18 % Ebenen und 14 % Berge, Küstenlänge 1850 km,
der höchste Berg Gennargentu 1834 m ü.M., ca. 1,7 Millionen Einwohner, davon in und um Cagliari
400'000, zweitgrösste Stadt ist Sassari mit etwa 120'000 Einwohnern. Die letzte Tierzählung
ergab über 5 Millionen Schafe, 300'000 Rinder, ca. 280'000 Ziegen, 255'000 Schweine und 24'000 Pferde.
Die geschichtliche Entwicklung der Insel beginnt 6'000-3'000 Jahre vor Christus, wie Funde von Ackerbau und
Viehzucht belegen. Um 3000 v.Chr. beginnt die Kupferverarbeitung und von 1800 bis 500 v.Chr. dauert die
Nuraghenkultur, in der sich die Siedlungen um einen kegelförmigen Wehrturm aus Stein (Nuraghe)
konzentrierten. Zeugnisse dieses Hirtenvolkes sind die 7'000 Nuraghen und die Wasserheiligtümer
(pozzi sacri).
Ab dem 9. Jh. v. Chr. gründeten die Phönizier mehrere Städte, bis Karthago den Untergang
der Nuraghier 540 v.Chr. besiegelte. Nach dem Zerfall des römischen Weltreiches herrschten die Byzantiner,
und im späten 13 Jh. kam Sardinien für 400 Jahre unter spanische Herrschaft. 1713 wurde es
Österreich zugesprochen und dann an Savoyen abgetauscht. Im Zuge der nationalen Einigung Italiens
("Risorgimento") wurde Sardinien 1861 Teil des italienischen Einheitsstaates. An den sozialen Problemen
der Insel änderte sich aber wenig und eine drückende Steuerlast gab Spekulanten Auftrieb, welche
die Wälder abholzen liessen und die Ausbeutung der Minen und Kohlegruben forcierten.
Missernten und Malaria bestimmten das Bild bis zum 1. Weltkrieg, in dem sich sardische Truppen durch besondere
Tapferkeit auszeichneten, aber auch einen sehr hohen Blutzoll entrichten mussten. Mit dem Aufkommen des
Faschismus (1922) wurde der Bergbau intensiviert, aber auch Sümpfe entwässert, um der Malaria
Herr zu werden. Im 2. Weltkrieg wurde Sardinien relativ verschont, aber viele Bomben zerstörten einige
Städte. In einer Volksabstimmung entschied sich Italien 1946 gegen die Monarchie, und 1948 trat die heutige
Verfassung in Kraft.
Auf der ganzen Insel wird Italienisch gesprochen, aber Sardisch ist eine eigene, dem Rätoromanisch
verwandte altromanische Sprache. So bedeutet "Haus" lateinisch "domus", auf Sardisch "sa domu" und
italienisch "casa". Daneben haben sich viele Dialekte erhalten, die teilweise noch aus phönizischer
und byzantinischer Zeit stammen. In Alghero gibt es einen katalanischen Dialekt, an anderen Orten hat
sich eine ligurische Mundart erhalten (Einwanderer aus dem 16. Jh.). In Zentralsardinien überlebten
ursardische Dialekte ("Nuorese" und "Barbaricino"), im Südwesten wird "Campidanese", in Sassari
"Sassarese" und "Logudorese" im übrigen Sardinien gesprochen.
Sardinien ist (im Gegensatz zum italienischen Festland) ein sicheres Reiseziel. Die Mafia konnte bisher
nicht Fuss fassen und der korsische Separatismus ist auf Sardinien völlig unbekannt. Gastfreundschaft
geniesst hohen Wert, Betrügereien usw. gegenüber Fremden gelten als schwere Verfehlung.
Die Vegetation ist sehr reich. So zählt man auf Sardinien ca. 2'500 Blütenpflanzen, von denen
etwa 350 endemisch sind. Wegen diesen Eigentümlichkeiten spricht man auch von einer "cyrnosardischen"
Florenprovinz. Sommertrockenheit und milde, feuchte Winter sind die klimatischen Gegebenheiten, mit denen
Pflanzen des Mittelmeerraumes fertig werden müssen. Die einen bilden deshalb ledrigderbe Blätter
oder verhindern durch Wachs-überzüge und Behaarung eine zu starke Transpiration der Oberfläche,
während die anderen ihre Bätter einrollen (Rosmarin) oder stark zurückbilden (Ginster).
Viele Pflanzen weichen der Dürrezeit völlig aus, schliessen ihren Zyklus in wenigen Wochen und
überdauern nur mit ihren Samen, während die mehrjärigen (meist Zwiebel- und Knollengewächse)
den Sommer unterirdisch verbringen. Der Frühling ist mit seinen farbenprächtigen Blüten eine
grossartige Augenweide. Die Hauptblütezeit ist im Küstengebiet vorwiegend der Monat April, im
Hügelland der Mai und im Gebirge der Juni. Im Herbst erwachen dann weitere Blüher, wie z. B.
Herbstzeitlosen, Meerzwiebel, Cyclamen oder gewisse Aronstabgewächse.
Für uns sind viel Endemiten, wie z. B. der Korsische Reiherschnabel (Erodium corsicum), die stechende
Grasnelke (Armeria pungens), der korsische Ziest (Stachys corsica), das Erdschötchen (Morisia monanthos),
aber erst recht viele Einkeimblättrige, wie z. B. Trichternarzisse (Pancratium illyricum), rocus corsicus,
Allium-Arten wie A. parciflorum usw. und dann die Orchideen von besonderem Interesse. Mehrere Arten, wie Ophrys
chestermanü, normanü, eleonorae, Orchis longicornu, brancifortü, ichnusae (olbiensis),
Serapias nurrica usw. kommen speziell auf Korsika und Sardinien vor. Wir werden versuchen, sie zu
finden.
Weiterführende Literatur z. B.:
Joh. Kautzky, Reiseführer Natur KORSIKA SARDINIEN, BLV Verlagsges.mbH 1998 ISBN 3-405-15079-5
G. Vitiello & F. Helbert, SARDINIEN, Dumont direkt, ISBN 3-7701-6483-0 (kleiner Reiseführer)
Kristine Jaath, Peter Höh, SARDINIEN, Reise Know-How Verlag Peter Rump 2002; ISBN 3-8317-1094-5
Baedecker Allianz Reiseführer: Sardinien Verlag Karl Baedecker ISBN 3-87504-548-3
General-Karte "Sardinien" 1:200'000 Extra 15 Mairs Geografischer Verlag ISBN 3-8297-2081-5
(detaillierte Karte)
Internet
Orchideen Sardiniens: www.lunam.it
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Aktualisiert 10. 03. 2009
