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Orchideen einmal anders

Autor Jakob Gnägi


Auf dem Rücken der Biene erkennt man deutlich die Pollen der Orchidee, Foto Santiago R. Ramirez (Quelle: Internet)Über die botanische Abstammung und Entwicklung der Orchideen ist in den AGEO - Heften der letzten Zeit öfters berichtet worden (AGEO 1 & 2/2008). Was aber weder die heutigen Orchi­deenlieb­haber noch Linné, Darwin, Haller und schon gar nicht die alten Griechen geahnt haben dürften, hat uns die Natur selber "vor Kur­zem" in bildlicher Weise dokumentiert.
Unsere Lieblinge haben die Erde bereichert, längst bevor der Mensch sie hatte bestaunen können. In pflanzlichen Überresten aus der letzten Zwischeneiszeit vor rund 10'000 Jahren (Pleisto­zän) hat man Abdrücke von Blättern und Samenkapseln gefun­den, von denen angenommen wird, dass sie von Orchideen stammen (W. Vent 1965, Ilmtal Thüringen). Diese Pflanzenteile wurden zu Epipactis palustris gehörend gedeutet. Diese Pflanzen hätten unsere Vorfahren also bereits pflücken können.
A. Straus berichtete über einen Fund einer Samenkapsel, welche zu Cypripedium gehörend gedeutet wurde (Pliozän, 3 Mio. Jahre, Willerhausen am Harzrand).
Einen weitaus älteren Orchideen-Fund - einen Stängel mit Blüte - hat J. Mehl 1984 beschrieben. Die leicht verkohlte Pflanze wurde in den "Oberen Süsswasserkalken" von Öhningen am Bodensee entdeckt. Dies ist eine überaus reichhaltige, weltweit berühmte Fossilienfundstelle, deren Alter etwa 15 Millionen Jahre beträgt.
In einer Mine in den Cordillera Septentriona-Bergen in der Domi­nikanischen Republik in einer geologischen Schicht des Miozäns, also rund 15-20 Millionen Jahre alt, wurde im Jahre 2000 ein fos­siler Bernstein gefunden. Santiago R. Ramirez und Mitarbeiter be­richteten 2007 über die wissenschaftliche Auswertung des Fun­des.
In diesem fossilen Harz ist eine Biene eingeschlossen und dabei sind feinste Einzelheiten des Insekts erhalten. Auf dem Rücken trägt das Insekt ein ganzes Paket Blütenpollen, welche durch wissen­schaftliche Analysen eindeutig als Orchideenpollen bestimmt wor­den sind und zwar zu einer Orchidee aus der Unterfamilie Goody­erinae mit dem neuen Namen Meliorchis caribea. Da das Pollen­paket auf dem Rücken des Insektes klebte, musste die Biene also tief in die röhrenförmige Blüte eindringen, im Gegensatz zu ihren heutigen Verwandten, die lediglich auf der Lippe landen und die Pollenpakete am Kopf mittragen.
Mit diesem Fund konnten die Forscher die mole­kular­genetischen Uhren nun besser einstellen. Hat man bisher angenommen, das die Familie der Orchi­deen zwischen 26 und 112 Millionen Jahre alt ist, kommt man nun zum Er­gebnis, dass die Orchi­deen sich vor etwa 80 Millionen Jahren von ihren nächsten Ver­wandten, den Spargelgewächsen, trennten. Die Entwicklung der Orchideen begann wahrscheinlich nach dem Verschwinden der Dinosaurier und nach dem Beginn der Kontinentalverschiebun­gen. Demnach zählen die Vanillepflanzen zu den ältesten Orchideen und haben sich auf den tropischen Kontinenten unab­hängig entwickelt.
Übrigens, ähnliche geologische Schichten vergleichbaren Alters (Mio­zän) gibt es auch in der Schweiz. Ich habe selber im Aargau in feinem Sandstein wunderbar erhaltene, farbige Abdrucke mit Blättern von Ahorn, Weiden und anderen Bäumen gefunden.

Literatur & Internet:

Johannes Mehl "Eoorchis miocaenica nov. gen., nov. sp. aus dem Ober-Miozän von Öhningen", Ber. AHO Thüringen Heft 1 (1984) 9-21
Hans Dostman "Die Dokumentation der fossilen Orchideen in Deutschland", in 'Die Orchideen Deutschlands' S. 151-154, Ar­beitskreise Heimische Orchideen (2005), Uhlstädt-Kirchhasel
Santiago R. Ramirez et al, "Dating the origin of the Orchidaceae from a fossil orchid with its pollinator" Nature 448 (2007) 1042-1045

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,502795,00.html
http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/natur/erdgeschichte_aid_131045.html
http://www.news.harvard.edu/gazette/2007/09.13/99-orchid.html

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Aktualisiert 01. 10. 2009

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