Die Gattung Nigritella Rich.
Autor: Wolfram Foelsche, Fotos: Wolfram Foelsche & Norbert Griebl
Die heutige Gattung Nigritella Rich. hatte durch Jahrhunderte als monospezifisch gegolten, weil unser Männertreu trotz seiner Vielgestaltigkeit als „einzigartig“ aufgefasst wurde. Diese seit alters her bekannte Pflanze der europäischen Gebirge wurde von den ersten Botanikern mit damals üblichen polynomen Bezeichnungen, die zugleich auch die Beschreibung der Pflanze enthalten, mit Satyrium basilicum alpinum Gessner 1561 und Orchis palmata angustifolia alpina, nigro flore Bauhin 1623 benannt. Nach der Einführung der binären Nomenklatur durch Linné wurde das Kohlröschen zu unterschiedlichen Gattungen gestellt und zunächst Satyrium nigrum Linné 1753,dann wieder Orchis miniata Crantz 1769, Orchis nigra Scopoli 1772, Habenaria nigra R. Brown 1813, Sieberia nigra Sprengel 1817 oder Gymnadenia nigra Reichenbach fil. 1851 genannt. L.C.M. Richard (1754-1821), Professor für Botanik in Paris,begründete 1817 neben zahlreichen anderen Gattungen auch die Gattung Nigritella und nannte den einzigen bis dahin anerkannten Vertreter der neuen Gattung Nigritella angustifolia.
Im Jahre1889 wurde endlich das Rote Kohlröschen (als Gymnadenia rubra Wettstein) abgespalten, und mittlerweile wurde die Gattung Nigritella Rich., die noch mehrere Male mit der Gattung Gymnadenia R. Br. vereinigt werden sollte, zuerst zögerlich, dann immer rascher in beinahe zwanzig morphologisch gut unterscheidbare Taxa aufgegliedert. Der Vortragende, der an diesem Prozess nicht ganz unbeteiligt ist, konnte – mit Ausnahme von Nigritella carpatica – alle diese Sippen in ihrer terra typica kennen lernen und zeigt uns authentische Bilder der Pflanzen vom jeweiligen ‚locus classicus’. Anmerkungen zur Geschichte der Gattung mit Reproduktionen einiger Originalbeschreibungen und historischerHerbarbelege sollen die Bildserien der einzelnen Sippen auflockern und ergänzen, ferner sind auch Varietäten und die wichtigsten Hybriden zu sehen.Die Taxa werden in chronologischer Reihenfolge ihrer Abgrenzung von der Nominatart Nigritella nigra vorgestellt. Die Arten, die dem Vortragenden besonders am Herzen liegen, nämlich die in der Schweiz nicht vorkommenden Sippen Nigritella stiriaca, N. widderi, N. cenisia und die erst kürzlich beschriebenen, noch wenig bekannten Arten N. minor und N. bicolor,werden etwas ausführlicher behandelt.
Die folgende Artenliste ist als Unterlage für den Vortrag gedacht – es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit und Aktualität erhoben, und Synonyme werden nur sparsam verwendet. Dazu einige Anmerkungen: Wegen der widersprüchlichen taxonomischen Konzepte der Folgeautoren werden die diversen Taxa [mit Ausnahme von N. austriaca (Teppner & Klein) P. Delforge 1991] auf der höchsten Rangstufe vorgestellt, auf der sie beschrieben bzw. neu kombiniert wurden; das Rote Kohlröschen und das Dolomiten-Kohlröschen, ursprünglich als Arten der Gattung Gymnadenia publiziert, werden im Sinne der Einheitlichkeit als Nigritella rubra (Wettst.) K. Richter 1890, bzw. als N. dolomitensis (Teppner & E. Klein) Hedrén, E. Klein & Teppner 2000 geführt; bei der viel diskutierten Benennung des Roten Kohlröschens (N. minor versus N. rubra) wird also für N. rubra plädiert. (Als Folge der Neubeschreibung von N. bicolor wären die gängigen Verbreitungsangaben des Roten Kohlröschens zu überprüfen!) Zwei vermutlich identische Unterarten von N. nigra wurden 1993 fast gleichzeitig publiziert, doch subsp. iberica machte schliesslich das Rennen vor subsp. gallica. Auf Grund der Priorität, aber auch wegen der besser nachvollziehbaren Argumente der Autoren wird der Unterart N. nigra subsp. iberica der Vorzug gegeben, ungeachtet der Tatsache, dass diese Taxa noch immer nicht restlos anerkannt sind.
Artenliste
Nigritella nigra (L. 1753) Rchb. fil., Icon. fl. germ. helv. 13/14: 102 (1851) subsp. nigra.
Basionym: Satyrium nigrum L., Sp. pl. 2: 944 (1753).
Verbreitung: Skandinavien (Mittelschweden, Norwegen).
Nigritella rubra (Wettst. 1889) K. Richter, Pl. Eur.1: 278 (1890).
Basionym: Gymnadenia rubra Wettstein, Ber. Deutsch. Bot. Ges. 7: 312 (1889).
Synonym: Nigritella miniata (Crantz 1769) Janchen, Phyton (Horn, Austria) 8: 232 (1959).
Verbreitung: Ostalpen, (?)Karpaten.
Nigritella carpatica (Zapałowicz 1906) Teppner, E. Klein & Zagulskij, Phyton (Horn, Austria) 34(2): 171 (1994).
Basionym: Nigritella angustifolia Rich. var carpatica Zapałowicz, Consp. fl. Galiciae crit. 1: 215 (1906).
Verbreitung: Ostkarpaten im Grenzgebiet von Ukraine und Rumänien.
Nigritella stiriaca (Rechinger & Rechinger 1906) Teppner & E. Klein, Phyton (Austria) 25(1): 159 (1985).
Basionym: Gymnadenia rubra (Wettst.) var. stiriaca Rechinger, Mitt. Naturwiss. Ver. Steierm. 42: 148 (1906).
Verbreitung: Nördliche Kalkalpen (Salzkammergut), Grazer Bergland.
Das Foto zeigt Nigritella stiriaca, Ausser Zinken (Dachsteingruppe), 12. Juli 2009, fotografiert von Norbert Griebl.
Nigritella corneliana (Beauverd 1926) Gölz & Reinhard, Jahresber. Naturwiss. Ver. Wuppertal 39: 39 (1986) subsp. corneliana.
Basionym: Nigritella nigra (L.) Rchb. fil. ssp. corneliana Beauverd, Bull. Soc. Bot. Genève 17: 336 (1926).
Verbreitung: Westalpen (Meeralpen und Cottische Alpen).
Nigritella lithopolitanica Ravnik, Acta bot. Croat. 37: 226 (1978). Verbreitung: Steiner Alpen (Kamniške Alpe), östliche Karawanken, Koralpe.
Nigritella archiducis-joannis Teppner & E. Klein, Phyton (Austria) 25(1): 168 (1985).
Verbreitung: Steirisches Salzkammergut, Gosaukamm, (?)Eisenerzer Alpen, (?)Koralpe, (?)Hochobir, Julische Alpen.
Nigritella widderi Teppner & E. Klein, Phyton (Austria) 25(2): 318 (1985).
Verbreitung: Nördliche Kalkalpen, Grazer Bergland, Zentral-Apennin, Dolomiten.
Das Foto zeigt
Nigritella widderi, Trenchtling (Hochschwab), 3. Juli 2010, fotografiert von Wolfram Foelsche.
Gymnigritella runei Teppner & E. Klein, Phyton (Horn, Austria) 29(2): 163 (1989).
Verbreitung: Schweden (Südliches Lappland).
Nigritella rhellicani Teppner & E. Klein, Phyton (Horn, Austria) 31(1): 7 (1990).
Verbreitung: Alpen, Jura, Balkanhalbinsel, Karpaten.
Nigritella nigra(L.) Rchb. fil., Icon. fl. germ. helv. 13/14: 102 (1851) subsp. austriaca Teppner & E. Klein, Phyton (Horn, Austria) 31(1): 17 (1990).
Syn.: Nigritella austriaca (Teppner & Klein) P. Delforge, Naturalistes belges 72(3): 100 (1991).
Verbreitung: Ostalpen.
Nigritella nigra (L.) Rchb. fil., Icon. fl. germ. helv. 13/14: 102 (1851) subsp. iberica Teppner & E. Klein, Phyton (Horn, Austria) 33(2): 192 (1993).
Synonym: Nigritella nigra (L.) Rchb. f. ssp. gallica E. u. R. Breiner, Mitt. Bl. Arbeitskr. Heim. Orch. Baden-Württ. 25(4): 471 (1993).
Verbreitung: Pyrenäen, Französisches Zentralmassiv, Westalpen, Jura.
Nigritella gabasiana Teppner & E. Klein, Phyton (Horn, Austria) 33(2): 182 (1993).
Verbreitung: Cantabrische Gebirge, Pyrenäen.
Nigritella corneliana (Beauverd) Gölz & Reinhard, Jahresber. Naturwiss. Ver. Wuppertal 39: 39 (1986) subsp. bourneriasii E. u. R. Breiner, Mitt. Bl. Arbeitskr. Heim. Orch. Baden-Württ. 25(4): 480 (1993).
Verbreitung: Westalpen (Meeralpen und Cottische Alpen).
Nigritella buschmanniae Teppner & Ster, Phyton (Horn, Austria) 36(2): 278 (1996).
Verbreitung: Südalpen (Brentagruppe).
Nigritella dolomitensis (Teppner & Klein) Hedrén, E. Klein & Teppner, Phyton (Horn, Austria) 40(2): 243 (2000).
Basionym: Gymnadenia dolomitensis Teppner & E. Klein, Phyton (Horn, Austria) 38(1): 223 (1998).
Verbreitung: Südalpen (Östliche Dolomiten).
Nigritella cenisia Foelsche & Gerbaud, L’Orchidophile 29 (134): 248 (1998).
Verbreitung: Italienische und Französische Westalpen.
Nigritella minor W. Foelsche & Zernig, Joannea Botanik 6: 10 (2007).
Verbreitung: Nördliche Kalkalpen (Trenchtling).
Das Foto zeigt Nigritella minor,
Trenchtling (Hochschwab), 24. Juni 2008, fotografiert von Norbert Griebl.
Nigritella bicolor W. Foelsche, J. Eur. Orch. 42(1): 60 (2010).
Verbreitung: Ostalpen, Dinarisches Gebirge, Karpaten.
Das Foto zeigt Nigritella bicolor mit Widderchen, Val Minor (Berninagruppe), 26. Juli 2009, fotografiert von Wolfram Foelsche .
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Aktualisiert 22. 09. 2010