Die Innerkrainische Hochebene - Natur pur auf 206 km²!
Reisebericht Juni 2013, Autor und Fotos: Roland Wüest
Vorwort
Die Innerkrainische Hochebene bildet das immense, 206 km² grosse Naturreservat Notranjska, welches von europäischer Bedeutung ist. Es befindet sich zirka 30 km südwestlich von Ljubljana im Südwesten Zentralsloweniens und liegt auf einer mittleren Meereshöhe von 650 m. Es erstreckt sich von der Bloška Planota bei Nova Vas im Osten über den Bloško Polje bei Bloška Polica, den Cerkniško Polje bei Cerknica bis zum Planinsko Polje bei Planina im Westen. Die endlos scheinenden Sümpfe und Magerwiesen beherbergen eine gigantische Fauna und Flora.
Abb. 1 - Cerkniško Polje bei Cerknica, 19.06.2013
Abb. 2 - Planinsko Polje bei Planina, 19.06.2013
Planinsko Polje
Von unserer geliebten Garni-Pension in Faak bei Villach aus starteten Edith und ich am 19. Juni 2013 unsere erste Exkursion in den westlichsten Teil dieses vielversprechenden Naturparadieses. Nach einer guten Fahrstunde erreichten wir die Autobahnausfahrt Unec und wenig später das malerische Dorf Planina.
Die Überlandstrasse nach Laze führte uns mitten durch den Planinsko Polje. Bald fiel uns auf der riesigen Fläche ein gewaltiges rotes Blumenmeer auf.
Abb. 3 - Gladiolus illyricus - Illyrische Gladiole (Planina, 19.06.2013)
Abb. 4 - Gladiolus illyricus - Illyrische Gladiole (Planina, 19.06.2013)
Abb. 5 und Abb. 6 - Orchis palustris - Sumpf-Knabenkraut (Planina, 19.06.2013)
Ein willkommener Ausstellplatz ermöglichte uns die Gelegenheit nachzuschauen. Als wir aus dem Fahrzeug stiegen, machten wir erstmals mit der drückenden Affenhitze von 38 °C Bekanntschaft. Doch was wir hier zu sehen bekamen, übertraf bereits unsere gesamten Erwartungen: Das Blumenmeer bestand aus Hunderten von Gladiolus illyricus (Illyrischen Gladiolen), verstärkt mit einigen Dutzend Dactylorhiza incarnata (Fleischrote Fingerwurz), Orchis palustris (Sumpf-Knabenkraut) und Orchis elegans (Elegantes Knabenkraut).
Abb. 7 und Abb. 8 - Orchis elegans - Elegantes Knabenkraut (Planina, 19.06.2013)
Abb. 9 - Gratiola officinalis – Gottesgnadenkraut, (Planina, 19.06.2013)
Als weitere Seltenheit zeigte sich ferner das bei den Braunwurzgewächsen anzusiedelnde Gratiola officinalis (Gottesgnadenkraut). Während ich der brütend heissen Witterung trotzte und all diese Kostbarkeiten akribisch ablichtete, hatte sich Edith längst hinter einer schattigen Hecke verkrochen, wo wir anschliessend die Mittagsrast einschalteten.
Cerkniško Polje
Abb. 10 - Cerkniško Polje bei Cerknica, 19.06.2013
In der zweiten Tageshälfte verschoben wir uns im slowenischen Glutofen ostwärts in Richtung Cerknica (Zirknitz). Eingangs der gut 11'000 Einwohner zählenden Grossgemeinde entdeckten wir sofort die braune Beschilderung zum Naturreservat. Besonders gespannt waren wir auf den in der Karstlandschaft eingebetteten Cerkniško Jezero (Zirknitzer See), einen Sickersee, dessen Fläche je nach Wassermenge zwischen 26 und 38 km² variiert.
Nachdem wir den letzten Häusern entronnen waren, bot sich eine für unsere Augen fremde Naturszenerie von unbändiger Schönheit: im Vordergrund die riesigen, schier unüberblickbaren Feucht- und Magerwiesen und dahinter der zum Teil von Auenwald umgebene variable Zirknitzer See. In den teilweise unter Wasser stehenden Nasswiesen blühten weitere Orchis palustris (Sumpf-Knabenkraut) sowie eine Vielzahl von Leucojum aestivum (Sommerglöckchen). Das Meienriedloch im Berner Seeland liess im grosszügigen Stil grüssen!
Abb. 11 - Leucojum aestivum - Sommerglöckchen (Cerknica, 19.06.2013)
Abb. 12 - Pelophylax ridibundus – Seefrosch (Cerknica, 19.06.2013)
Wir beobachteten mehrere Schmetterlingsarten, darunter auch Libythea celtis (Zürgelbaum-Schnauzenfalter), die sich leider nicht von der fotogenen Seite zeigten. Anders die ebenfalls faszinierenden Pelophylax ridibundus (Seefrösche): Sie sonnten sich mit ihren stattlichen Körperlängen von bis zu 15 cm ruhig auf den aus dem See ragenden Karst-Kalksteinen.
Abb. 13 und Abb. 14 - Orchis laxiflora - Lockerblütiges Knabenkraut
(Cerknica, 19.06.2013)
Abb. 15 und Abb. 16 - Orchis elegans x laxiflora (Cerknica, 19.06.2013)
Unser Augenmerk auf ein heftiges Gewitter gerichtet, das sich südöstlich von uns entlud, besuchten wir zum Schluss eine wechselfeuchte Wiese am Ostende des Sees, durch die ein Trampelpfad führt. Im trockeneren Teil gegen den Waldrand sichteten wir Gymnadenia conopsea (Mücken-Handwurz), Platanthera bifolia (Zweiblättrige Waldhyazinthe), wenige Anacamptis pyramidalis (Pyramidenorchis) sowie ein paar verblühte Orchis mascula (Manns-Knabenkraut) und im nässeren Abschnitt in Richtung See erneut mehrere Hundert Leucojum aestivum (Sommerglöckchen ) wie auch etwa dreissig Orchis elegans (Elegantes Knabenkraut). Aus der Distanz fiel uns plötzlich eine hochgewachsene dunkelviolette Orchidee auf. Nachdem wir uns dem Objekt der Begierde genähert hatten, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: Aus dem Ranunculus tuberosus (Hain-Hahnenfuss) ragte eine einzigartige, fast 100 cm hohe Orchis laxiflora (Lockerblütiges Knabenkraut) empor, die wir baff bewunderten und natürlich ausgiebig fotografierten. Nicht minder attraktiv fanden wir wenige Meter daneben die deutlich niedrigere Hybride Orchis elegans x laxiflora.
Nur schon diese finalen Highlights machten Lust auf mehr. Um ein paar hochkarätige Erfahrungen reicher, fuhren wir am frühen Abend äusserst zufrieden nach Kärnten zurück.
Bloško Polje
Am 30. Juni 2013 nahmen wir den östlichen Teil der Notranjska unter die Lupe. Unser Tagesziel lautete: fotografische Dokumentation der sehr seltenen Dactylorhiza transsilvanica (Siebenbürgen-Fingerwurz), einer robusten weiss blühenden Fingerwurz-Spezies aus dem maculata-Formenkreis, die auf der Innerkrainischen Hochebene ihre westliche Verbreitungsgrenze erreicht.
Auf der Autobahn fuhren wir erneut bis zur Ausfahrt Unec und auf der Hauptstrasse 212 über Cerknica in den Bloško Polje bei Bloška Polica. Wir durchstöberten die grossflächigen unterschiedlichen Wiesentypen, fanden allerdings „nur“ Orchideen, die in der Schweiz auch heimisch sind: Anacamptis pyramidalis (Pyramidenorchis), Dactylorhiza fuchsii (Fuchs’ Fingerwurz), Dactylorhiza incarnata (Fleischrote Fingerwurz), Gymnadenia conopsea (Mücken-Handwurz), Listera ovata (Grosses Zweiblatt) sowie Platanthera bifolia (Zweiblättrige Waldhyazinthe).
Bloška Planota
Abb. 17 - Bloška Planota bei Nova Vas, 30.06.2013
Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, setzten wir die Exkursion alsbald fort in den höchstgelegenen Sektor des Reservats, die Bloška Planota (760 m) bei Nova Vas, von wo unsere recherchierten Internet-Angaben über die Dactylorhiza transsilvanica stammen.
In den mit Sträuchern durchsetzten Magerwiesen unweit des Dorfeingangs sichteten wir vom Fahrzeug aus einen Massenbestand an Lilium bulbiferum (Feuerlilien), die wir aus der Nähe betrachten wollten. Es kamen beide Unterarten vor, sowohl die in dieser Region deutlich häufigere Brutknöllchentragende (ssp. bulbiferum) als auch die Orangerote (ssp. croceum). Darunter befanden sich überaus kräftige Pflanzen mit bis zu acht Blüten. Zu unserer besonderen Freude entdeckten wir von der ssp. croceum sogar noch ein hyperchromes Exemplar.
Abb. 18 - Lilium bulbiferum ssp. bulbiferum - Brutknöllchentragende Feuerlilie (Nova Vas, 30.06.2013)
Abb. 19 - Lilium bulbiferum ssp. croceum - Orangerote Feuerlilie, hyperchrom (Nova Vas, 30.06.2013)
Abb. 20 - Dorycnium herbaceum - Krautiger Backenklee
(Nova Vas, 30.06.2013)Da die Dactylorhiza transsilvanica eher im Feuchten zu Hause ist, folgten wir in Nova Vas dem Wegweiser „Bloško Jezero“ (Bloker See), und nach rund 3 km kamen wir tatsächlich zu einem kleinen idyllischen Waldsee mit Holz-Rastplätzen, wo wir gemütlich picknickten.
Danach begaben wir uns in die menschenleere Wildnis, bestehend aus lockeren Mischwäldern und weiteren ausgedehnten Feucht- und Magerwiesen. Einmal mehr begegneten wir vorerst lediglich wohlbekannten Orchideen wie Anacamptis pyramidalis (Pyramidenorchis), Dactylorhiza fuchsii (Fuchs’ Fingerwurz), Dactylorhiza incarnata (Fleischrote Fingerwurz), Neottia nidus-avis (Nestwurz), Platanthera bifolia (Zweiblättrige Waldhyazinthe) sowie einer Gruppe knospender Epipactis helleborine (Breitblättrige Stendelwurz). Für wesentlich mehr Aufsehen sorgte Dorycnium herbaceum (Krautiger Backenklee), den wir bis zu diesem Zeitpunkt nur vom Steinbruch von Arzo im Südtessin gekannt hatten.
Abb. 21 - Dactylorhiza-transsilvanica-Biotop auf Bloška Planota bei Nova Vas, 30.06.2013
Abb. 22 - Dactylorhiza transsilvanica - Siebenbürgen-Fingerwurz (Nova Vas, 30.06.2013)
Als mir auf einer topfebenen wechselfeuchten Wiese etwa 50 Meter entfernt ein paar schneeweisse Kerzen ins Auge stachen, begann mein Puls höher zu schlagen. Ich klopfte Edith auf die Schulter und fragte: „Siehst du dort vorne auch, was ich sehe?“– In der Tat näherten wir uns einer prächtigen Population Dactylorhiza transsilvanica (Siebenbürgen-Fingerwurz) in Hochblüte. Viele waren es nicht: vielleicht 40, 45 Stück. Das majestätischste Individuum mit einer Infloreszenz von zirka 20 cm und einer Gesamthöhe von rund 80 cm stand direkt neben dem „Botanikerpfad“. Wie in der Literatur beschrieben, stellten auch wir in diesem Biotop zwei Vertreter mit leichter Rosafärbung fest. Im Gegensatz zum Planinsko und Cerkniško Polje am 19. Juni war hier die Temperatur angenehm, sodass wir das Fotografieren regelrecht geniessen konnten.
Abb. 23 und Abb. 24 - Dactylorhiza transsilvanica
- Siebenbürgen-Fingerwurz (Nova Vas, 30.06.2013)
Abb. 25 und Abb. 26 - Dactylorhiza transsilvanica
- Siebenbürgen-Fingerwurz, hellrosa Form (Nova Vas, 30.06.2013)
In unseren Gemütern herrschte ein überschäumendes Glücksgefühl. Etwas später erfreuten wir uns zudem noch an fünf Dactylorhiza maculata (Gefleckte Fingerwurz), wovon drei den Blühzenit bereits überschritten hatten.
Mit grossem Stolz traten wir nach schmackhaftem Nachtessen die Rückreise nach Faak an.
Zum Schluss möchte ich die Bilder zweier Schlangen von denselben Ferien nicht vorenthalten. Die Tiere stammen zwar aus dem benachbarten Kärnten, gehören aber ebenfalls zur Fauna der Notranjska:
Abb. 27 - Elaphe longissima – Äskulapnatter
(Weissensee, 22.06.2013)
Abb. 28 - Vipera ammodytes - Europäische Hornviper
(Patergassen, 24.06.2013)
Fazit
Das gigantische Naturreservat Notranjska auf der Innerkrainischen Hochebene ist zweifelsohne etwas vom Schönsten und Eindrücklichsten, was wir bisher auf unseren Streifzügen durch die Natur erleben durften. Wir sind verblüfft, mit wie viel Herzblut sich die Slowenen für den Naturschutz einsetzen, damit solche Eldorados auch für die ferne Zukunft erhalten bleiben.
Im Allgemeinen empfinden wir Slowenien als einen extrem sauberen, gepflegten Kleinstaat. Wir genossen die Fahrten auf den neuen Autobahnen, die punkto Bau, Beschilderung und Raststätten stark an die Schweiz erinnern.
Sofern zeitlich möglich, wollen wir im nächsten Jahr ein gemäss Internet nicht minder attraktives Orchideengebiet im südwestslowenischen Zazid besuchen.
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Aktualisiert 12. 12. 2013
