2008/09 - Jahr des Herzblättrigen oder Kleinen Zweiblatt
Listera cordata (L.) R.Brown
Auswertung
Verschiedenes/Fundorte
Gegen 75 Mitglieder mit Interesse an unserem Kartierungsprogramm haben wiederum viel Zeit investiert in Exkursionen mit Suchaktionen nach Listera cordata, wofür wir uns herzlich bedanken.
Rund 240 RF/Q (Rasterfeld/Quadranten) galt es in den Jahren 2008 und 2009 zu überprüfen, weil die zugehörigen Funddaten nicht mehr dem aktuellen Stand entsprachen (ab 01.01.2000). Für die meisten dieser RF/Q sind neue Meldungen eingetroffen: 296 RF/Q sind kontrolliert worden, davon sind 217 aktualisiert, 79 bleiben unbestätigt, und - besonders erfreulich - 41 Neufunde in bisher unbesetzten RF/Q sind dazugekommen. Per 31.12.2009 sind in der neuen Verbreitungskarte 413 RF/Q besetzt, davon sind 301 aktuell (217 aktualisiert, 84 waren bereits aktuell (ab 2000-2007)), sowie 112 älteren Datums (vor 1950-1999).
Die detaillierten Ergebnisse finden Sie im Heft 1/2010.
Biotope/Gefährdung
Diverse negative Überprüfungsmeldungen beziehen sich auf Angaben von alten Fundstellen relativ tief liegender Biotope, vereinzelt noch unter 1000 m ü.NN (Teile des Jura, Mittelland, Alpsteingebiet). Einige davon befanden sich wahrscheinlich schon immer am unteren Höhenlimit für Listera cordata. Ob bei gewissen Meldungen (Mittelland) vielleicht Fehlbestimmungen vorliegen, lässt sich heute kaum mehr eruieren, scheint aber durchaus möglich. Ob hier die generelle Erderwärmung eine gewisse Rolle spielt, indem die Überlebensbedingungen für Listera cordata (z.B. unter 1200 m ü.NN) nicht mehr ausreichend sind, obwohl einige dieser früheren Fundstellen einen intakten Eindruck machten, kann nur vermutet werden. Kurt Buchecker (unser aktivster Kartierer) meint, dass sich die Grenze mit für Listera cordata akzeptablen klimatischen Voraussetzungen innert kurzer Zeit markant nach oben verschoben haben muss (erst ab 1200 m bis um 2000 m ü.NN). Allerdings scheint sich dies nicht überall gleich ausgeprägt zu manifestieren.
- Jura, Fundorte bis 1200 m: bestätigt 15; nicht bestätigt 19.
- Voralpen/Alpen, Fundorte bis 1200 m: bestätigt 17, nicht bestätigt 41.
Weshalb sich Listera cordata in gewissen tiefen Lagen halten kann, an anderen jedoch nicht, ist schwierig zu definieren. Ob der Biotoptyp dabei eine entscheidende Rolle spielt, ist möglich, wäre aber noch umfassender zu untersuchen. Hochmoor-ähnliche Biotope (im Jura vorherrschend, oft mit Waldsaum) gewährleisten möglicherweise ein ausgeglicheneres, kühleres Mikroklima als solche in Fichtenwäldern der vor- und inneralpinen Gebiete, wo Hochmoor-ähnliche Biotope seltener sind. Die Frage, ob der unkontrollierbare Stickstoffeintrag aus der Luft am Zurückgehen der Art in den tiefer gelegenen Standorten mitverantwortlich ist, kann nicht schlüssig beurteilt werden. Oft haben Sturmschäden, oder aber massive forstwirtschaftliche Eingriffe (starkes Auslichten) Listera cordata-Vorkommen zum Verschwinden gebracht (laut diversen Meldungen), weil das Mikroklima an den Wuchsstellen jetzt nicht mehr ausreichend und ausgeglichen feucht-kühl ist. Allerdings – im Klöntal habe ich (WS) trotz teilweise vorhandener typischer Begleitpflanzenvorkommen und intakten Waldes keine Listera cordata mehr gefunden (wurde auch aus anderen Gebieten gemeldet). Rätsel gibt auch ein Fundort nördlich des Obersees (ob Näfels GL) auf: Die bekannte Wuchsstelle war total ausgelichtet worden. Die Heidelbeeren waren noch existent, aber nicht eine einzige Listera cordata mehr. Etwa 150 m westlich der alten Fundstelle (Nähe Bachlauf), in einer mit Fichten bestandenen feuchten Senke mit Sphagnum-Moos, Farnen und reichlich Heidelbeeren zählten wir (RI + WS) im 2008 rund 50 Listera cordata-Pflanzen. Allerdings konnte kein einziges Exemplar mit einem Blütenstand entdeckt werden.
Gute Voraussetzungen für die Art sind in mittleren (und tieferen) Lagen möglichst nordexponierte Fichtenwälder mit Moos und Heidelbeerunterwuchs, an höher gelegenen Orten können auch Stellen mit einzelnen Rottannen, Farnen, Alpenrosen oder Legföhren passende Bedingungen schaffen, sofern auch der Wasserhaushalt vor Ort stimmt. Die Fichten wirken in erster Linie als Schattenspender, die Fichtennadeln als passender Bodenbedecker. Als Biotop für Listera cordata ungeeignet sind Lärchen- und Laubwälder. Sogar einzelne Laubbäume in Fichtenwäldern können negativ sein (Alles laut Beobachtungen von Kurt Buchecker).
Aufgefallen ist manchmal, dass Listera cordata in gewissen Gebieten nur sehr spärlich und punktuell vorkommen kann, wie z.B. bei Bergün im relativ hellen Nadelmischwald auf zwei kleinen (ca. 1 m²), wahrscheinlich oberflächlich sauren, etwas moosigen Geländebuckeln in nur wenigen Exemplaren oder bei Davos an einer feuchten Wegböschung nahe eines Bächleins in einer kleinen Population in NW-NE-Exposition.
Weitere Faktoren für eine erfolglose Nachsuche waren manchmal die heute viel intensiver bestossenen Alpweiden, die im Gegensatz zu früher oft kaum mehr Nischen für Listera cordata-Wuchsstellen erlauben. Zudem sind in tiefen und mittleren Lagen in den letzten Jahrzehnten immer wieder Feuchtstellen und damit vermutlich auch einige Listera cordata-Fundorte zum Verschwinden gebracht worden.
Im Tessin war Listera cordata schon früher eine der selteneren Pflanzen, obwohl die Art von der Gesteinsunterlage her im Tessin verbreitet vorkommen könnte. Laut Kurt Buchecker gibt es dort viele Lärchenwälder, aber eher wenig Fichtenwälder. Wegen des meist böigen Nordföhns sind nach Niederschlägen die Böden innert kürzester Zeit wieder ausgetrocknet, so dass es an ausdauernder Luftfeuchtigkeit mangelt.
Auf Grund der Vorkommensverhältnisse (wie bereits dargestellt) ist die generelle Gefährdung als gering einzustufen. Mit einem gewissen Rückgang ist vermutlich aber zu rechnen, weil (neben Sturmschäden) Bergwälder stellenweise viel intensiver genutzt werden als früher und wegen der überaus stark bestossenen Alpweiden. Allerdings dürften in unserem Land noch viele unentdeckte Wuchsstellen vorhanden sein, die in ± unwegsamen Gebieten liegen, wo kaum ein Mensch hinkommt (ausser vielleicht Jäger). Solche Landstriche sind somit als „kartierungsfeindlich“ einzustufen.
Zusammenfassung
Land/Kanton | Gemeinden | Fundorte (+) | Fundorte (-) |
Österreich | 1 | 1 | 0 |
Schweiz | 245 | 516 | 211 |
Total: | 246 | 517 | 211 |
Fundorte mit Negativmeldungen | 211 | ||
Fundorte mit 1 bis 10 Exemplaren | 137 | ||
Fundorte mit 11 bis 100 Exemplaren | 305 | ||
Fundorte mit 101 bis 1000 Exemplaren | 71 | ||
Fundorte mit mehr als 1000 Exemplaren | 4 |
Abschliessend danken wir noch einmal allen für den Einsatz und hoffen weiterhin auf aktive Unterstützung unserer Kartierung.
Ruedi Irniger, Walter Schmid (Verantwortliche "Jahr der ...")
Beschreibung der Orchidee
Fotos Beate Waldeck, Christophe Boillat
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Alle Ergebnisse vom "Jahr der ..."
2001: Limodorum abortivum 2002: Epipactis atrorubens 2003: Jahr des Kanton Aargau 2004: Malaxis monophyllos 2005: Cephalanthera damasonium 2006/2007: Ophrys holoserica 2008/2009: Listera cordata 2010: Breitblättrigen Stendelwurz 2011/2012: Holunder-Fingerkraut 2013/2014: Fliegen-Ragwurz 2015: Langspornige Handwurz 2016/2017: Kugelorchis 2018: Männliches Knabenkraut 2019/20: 5 Wald-Epipactis-Arten 2021: Frauenschuh 2022: Einorchis
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Aktualisiert 16. 03. 2010
