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Gedanken zu den Ausgrabungen auf dem Lehrpfad

Beate Waldeck und Thomas Ulrich


Unter anderen wurde eine Spinnenragwurz ausgegraben. Foto Thomas Ulrich Unter anderen wurde eine Mückenhandwurz ausgegraben. Foto Thomas Ulrich Wie wir bereits berichtet haben, hat sich Mitte Mai ein „Unkundiger“ an einige ausgeschilderte Orchideen gemacht und diese mit der Wurzelknolle heraus­ge­graben. Interessanterweise auch Ophrys apifera, welche noch gar nicht blühte, aber ein staatliches Exemplar gegeben hätte.
Die Aktion erfolgte zwischen dem späten Samstagnachmittag und Sonntag früh, dem 16. Mai 2010.
Kurz zuvor am 14.5. erschien in den verschiedenen Lokal­aus­gaben der Mittellandzeitung (OT 14.5.2010 Seite 27 / Niederamt) ein ausführlicher, ganzseitiger Artikel über den Lehrpfad, in dem Walter Lüssi – wie immer kompetent – den Lehrpfad detailliert vorstellte.
Am 19.5 erschien dann eine Stellungnahme unsererseits zum Vorfall mit den entsprechenden Bildern. Von einer Anzeige gegen Unbekannt haben wir als Verein abgesehen, denn diese wäre erfolglos.

Wir können nun nicht sagen, ob die Öffentlichkeitsarbeit diesen Vorfall auslöste oder nicht. Es ist nun mal der Preis, dass wir im Frühjahr mehr oder weniger Naturinteressierte auf den Lehrpfad locken. Ein anderer Preis, den wir zahlen, ist das Zertreten und das Nieder­walzen der Pflanzen auf dem Lehrpfad, speziell bei statt­lichen Spezies, wobei die kleinen und jungen jeweils auf der Strecke bleiben. Diese Ereignisse zeigen, dass der Hütedienst, den viele von euch Mitgliedern jedes Jahr leisten, doch wertvoll ist, auch wenn „der Lehrpfad nicht weggetragen werden kann“. Und trotzdem eine 100%ige Sicherheit an einem 24 Stunden Tag gibt es nicht, darum denkt daran, „Zelten ist verboten“ und eine Nachtwache so­mit nicht möglich.

Das Schicksal (Ausgraben der blühenden Pflanze) und das Wetter wollten es, dass dieses Jahr keine blühende Puppenorchis auf dem Lehrpfad beobachtet werden konnte. Das gleiche galt für Ophrys apifera: ein kräftiges Exemplar ausgegraben und Anfang Juni keine blühende Spezies. Erst Ende Juni hat Ruedi Leibbach doch noch wenige Exemplare aufgespürt.

Ortswechsel oder „Wir sind nicht allein“

Obwohl mein Arbeitsplatz in Schweizerhalle ist, habe ich es die Jahre über nicht geschafft in den Birsfelder-Hafen zu gehen, um dort die diversen Ophrys apifera zu bewundern. Dieses Jahr habe ich meine Mittagspause, zusammen mit Rolf Kugler, auf fast 3 Stunden ausgedehnt. Und was sehen wir da?

Ausgrabungen auch in Baselland. Foto Thomas Ulrich Pflücken verboten, gesetzlich geschützte Orchidee. Foto Thomas Ulrich
Bocksriemenzunge Himantoglossum hircinum
Fehlanzeige, nur ein Schild mit dem Kommentar:
Hast Du auch die Riemenzunge aus­ge­graben, Du Dieb?

Inzwischen kennen wir auch den Hintergrund: Herr Fischer aus Basel hat uns informiert, dass dieses Jahr Ragwurzen ausgegraben wurden, die Riemenzunge verschwand schon früher.
Oder bei der der Anacamptis pyramidalis - so ein Sträuss­chen lädt vielleicht schon ein zum Pflücken.

Auch andere Biotoppfleger und -schützer kämpfen mit der Unvernunft vieler Mit­menschen und mit ihrer Gier nach etwas Besonderem sei es im eigenen Garten, im Herbarium oder in der Dia-/Bildersammlung.
Für die Mitglieder der AGEO ist das nun Folgende „Eulen nach Athen oder besser Ophrys nach Rhodos getragen“, aber wir veröffentlichen unsere Artikel im Internet und vielleicht kann der eine oder die andere das eigene Fehlverhalten erkennen und zukünftig bewusster und mit mehr Respekt der Natur gegenüber treten.

  1. Herbarien
    Für uns „Hobby-Biologen“ ist die Zeit der Herbarien eigentlich lange passé. Vor allem heute im digitalen Zeitalter können wir die oberirdischen Teile der Pflanzen beliebig genau im Detail festhalten. Der Speicherplatz auf einer Harddisk kostet nichts im Vergleich zum Dia.       
    Schlussfolgerung: Finger weg von den Pflanzen. Sie bleiben, wo sie sind.
  2. Fotografische Dokumentation     
    Fred Stadler, ein leider verstorbenes Mitglied, hat einmal gesagt: „Vor einer Orchidee kniet man ehrfürchtig nieder und wälzt sich nicht auf dem Boden vor ihr“. Dies gilt eigentlich für alle Naturaufnahmen und da Fotografie etwas mit dem Auge zu tun hat, sollte jeder Naturfotograf in seiner Begeisterung den Blickwinkel vergrössern und nicht nur das „Objekt der Begierde“ (Orchidee, Schmetterling, Käfer usw.) fokussieren.
    Schlussfolgerung: Augen auf, im Biotop steht immer eine Pflanze am Wegesrand und lässt sich leicht fotografieren und mit Geduld kommen auch die Insekten beim Fotografen vorbei (und nicht umgekehrt).
  3. „Kollateralschäden“     
    Eigentlich ein schlimmes Wort, aber anders kann man die Folgen für ein Biotop nicht benennen, wenn Teile zertreten werden bzw. Pflanzen entfernt oder zerstört werden. In der Regel blüht nur ein Bruchteil der Orchideen in einem Biotop, die meisten (je nach Art) bilden Rosetten aus und kommen nicht jedes Jahr zur Blüte. Zum Beispiel im Falle der Ophrys apifera blühen durchschnittlich nur 25 % der Pflanzen, die restlichen 75 % verbleiben im Rosettenstadium. Ein hoher Samenansatz (durch Selbstbefruchtung) sichert den Bestand. Wird die Pflanze entfernt, dann fehlt der Samen. Wird dieser ausgebildet, fällt ein Teil in unmittelbarer Nähe der Pflanze auf den Boden, ein Teil fliegt davon. Im Boden müssen zum Keimen die richtigen Bodenpilze vorhanden sein (Mycorrhiza) – dort, wo die Mutterpflanze wächst, ist dies höchstwahrscheinlich der Fall. Wenn die Grasnarbe durch das Zertreten beschädigt wird, vernichtet man alle Jungpflanzen in allen Entwicklungsstadien und schädigt zudem die Bodenstruktur.   
    Schlussfolgerungen: Naturliebhaber und –fotografen betreten ein Biotop nur auf den dafür vorgesehen Pfaden. Ein Fernglas eröffnet einem die Tiefe und man kann sich auch so an den Pflanzen, Tieren usw. erfreuen.
  4. Orchideen im eigenen Garten      
    Ein Traum eines jeden Orchideenliebhabers, aber bei unseren einheimischen Arten beissen sich sogar die Experten die Zähne aus, wenn sie „professionell“ Umpflanzungen vornehmen müssen (z.B. bei Bauvorhaben). Wir Laien zerstören nur – das Biotop und die individuelle Pflanze.
    Wer in seinem Garten Orchideen anpflanzen möchte, muss zunächst den richtigen Boden haben, ein „Rasen-Garten“ ist total umgeeignet. Im Internet gibt es genügend Hinweise. Auch gibt es genügend Händler, die einige wenige, leicht zu ziehende Arten zum Verkauf anbieten. Aber Achtung, auch hier gibt es schwarze Schafe.     
    Es gibt wenige glückliche Eigenheimbesitzer, in deren Gärten von sich aus Orchideen erscheinen und blühfreudig wachsen. Hier stimmt das Biotop und es muss dem­ent­sprechend gepflegt werden (keine Düngung, später Schnitt, Samenflug aller Pflanzen erlaubt und erwünscht usw.). Auch an sie der Hinweis, es kommen von Natur aus die Pflanzen, die ins Biotop passen, andere Arten werden verkümmern. Ein Eintrag von Samen anderer Arten ist höchstwahr­scheinlich nicht erfolgreich. Ach, und übrigens ist die „medizinische“ Wirkung der Orchideen nicht bewiesen.  
    Schlussfolgerung: Finger weg von allen Pflanzenteilen. Wer einheimische Orchideen liebt, geht in die Natur, sucht und findet. Es gibt mehr Biotope als man denkt, manche Strassenböschung, mancher Bahn- und Was­serdamm beherbergt eine interessante Flora und Fauna.

Alle diejenigen, die sich eines angemessenen Verhaltens in den diversen Biotopen bewusst sind, sollten sich ein Herz nehmen und andere Besucher auf ihr Fehlverhalten hinweisen. Es ist nicht leicht und erfordert Mut. Wir erinnern uns an einen schönen Sommermorgen in Asp, an dem wir die Reichhaltigkeit der Wiesen genossen haben. Bis zu dem Zeitpunkt an dem zwei Schmetterlingsjäger durch die Wiesen „hüpften“ und auf der Jagd nach diversen Bläulingen so manche Pflanze geknickt und zertreten haben. Es waren Wissenschaftler – Schmetterlings­kundler – für uns damals niederschmetternd, erst der Kommentar, was sie eigentlich dazu sagen würden, wenn wir alle Bläulinge totschlagen würden, brachte sie zum Nachdenken.


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Aktualisiert 21. 07. 2010

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